Wer nicht im Waldboden nach ihnen sucht wird sie kaum zu Gesicht bekommen. Wenn in Deutschland die Rede von Hirschtrüffel ist, ist üblicherweise die Warzige Hirschtrüffel (Elaphomyces granulatus) gemeint. Offensichtlich findet diese Art optimale Lebensbedingungen, oder ist in ihrer ökologischen Nische gegenüber den anderen Elaphomyces Arten dominant. Die Art geht bevorzugt mit Wurzeln von Fichte und Kiefer eine Mykorrhiza ein. Ihre Sporen werden u. a. durch Vektoren wie Wildschweine und Kleinsäuger verbreitet, für die die Fruchtkörper offenbar ein Leckerbissen darstellen. Dagegen ist die Trüffel für den Menschen ungenießbar, die meisten Menschen werden aber auch kaum jemals eine Elaphomyces granulatus in den Händen halten.
Steckbrief
Hier sind in einer Übersicht die wichtigsten Merkmale zu einem Steckbrief zusammengefasst
Speisepilz | ungenießbar, Fruchtkörper haben keinen Speisewert |
Biologie – Ökologie | Mykorrhiza-Pilz, Baumpartner: besonders Fichte, Kiefer, offenbar nicht häufig auf basischen Böden |
Fruchtkörper | ganzjährig unterirdisch, zerfallen von selbst oder weden von Wildschweinen u. Kleinsäugern verbreitet |
Größe: 0,01 – 5 cm, häufig: 1-2 cm | |
Gewicht bis 15 g, häufig: 1 – 4 g | |
Peridie | Endoperidie: im Querschnitt 1 – 3 mm, Farbe: creme beige, cremeweiß. Zur Gleba hin auch rosa, graurosa |
Exoperidie: < 1 mm, braun (a. gelbbraun, dunkelbraun) mit kleinen Warzen | |
Gleba | Farbe der Sporenmasse: anfänglich hellbraun, weißlich, reif: blau, dunkelviolett.Spinnenartige Fäden |
Sporen | Größe: rund, 26 – 30 µm, braun bis schwarz |
Sporen Verbreitung: Mykophagie (Wildschweine, Kleinsäuger) | |
Geruch | Benzin-Spiritus-erdig |
Vorkommen | ganzjährig |
Fundorte | am einfachsten an Wühlstellen von Wildschweinen, Ausdauer mitbringen! |
Besonderes | in vergangenen Jahrhunderten als Aphrodisiakum gehandelt und benutzt |
historisch als “Brunftmittel” bei Rindern und Schweinen verwendet | |
Parasiten | Kernkeulenarten wie Zungen-Kernkeule (Cordyceps ophioglossoides), Kopfige Kernkeule (Cordyceps capitata) |
Synonyme | Elaphomyces cervinus (L.) Schltdl. 1824 |
Hypogaeum cervinum (L.) Pers. 1797 | |
Lycoperdon cervinum (L.) O. Kuntze 1891 | |
Englisch | deer truffle, gelegentlich auch “false truffle” |
Mykorrhiza Exploration-Typ | Short Distance Exploration Type |
Wasser Typ | hydrophil |
Lebenszyklus & Biologie & Ökologie & Habitat
Eigentlich ist über die Ökologie und Entwicklung der Warzigen Hirschtrüffel nicht viel bekannt. Zumindest was die zeitliche Dauer der Fruchtkörperentwicklung und deren Lebensdauer betrifft. E. granulatus geht im Gegensatz zu Elaphomyces muricatus bevorzugt mit Fichte und Kiefer eine Mykorrhiza ein. Der Fruchtkörperansatz bildet sich aus dem Myzel und wird vermutlich zunächst über Pilzhyphen mit Nährstoffen versorgt. Im Waldboden finden sich kleine Fruchtkörper von 3 – 10 mm Durchmesser, die mit bloßem Auge betrachtet isoliert im Boden liegen. Die juvenilen Stadien sind meist von hellerer Farbe (hellbraun, creme-braun) als die ausgewachsenen Fruchtkörper. Die Verbreitung der Sporen erfolgt durch Verrottung der Peridie oder durch Mykophagie via Wildschweine und Kleinsäuger:
Abb. 1: Lebenszyklus von Elaphomyces granulatus im Ökosystem
Für Wildschweine ist Elaphomyces granulatus offenbar eine Delikatesse. Die Tiere durchwühlen den Waldboden ausgiebig nach den Trüffel. Bei Untersuchungen zum Nahrungsspektrum von Wildschweinen konnte in vielen Mägen Hirschtrüffel nachgewiesen werden.
Da Hirschtrüffel besonders viel Radiocäsium (Cs-137) akkumulieren, sind Wildschweine deswegen in einigen durch den Tschernobyl Fallout besonders betroffenen Gebieten erhöht radioaktiv kontaminiert.
Peridie
Die Abbildung 2 zeigt einen von anhaftendem Myzel und Bodenpartikeln gesäuberten sowie von Farbe und Form typischen Fruchtkörper im Querschnitt. Deutlich ist die helle Fruchtkörperhülle (Peridie) und die fast schwarze Sporenmasse (Gleba) im Inneren zu sehen. Die weniger als 1 mm dünne, hellbraune Exoperidie mit kleinen Warzen ist deutlich von der cremeweißen, deutlich mächtigeren Endoperie zu unterscheiden. Die Peridie ist derb, weshalb ausgewachsene, ältere Fruchtkörpern auch mit einem Skalpell oder einer Mikrotonklinge nur mit Krafteinsatz durchschnitten werden können.
Abb. 2: Warzige Hirschtrüffel Aufsicht und Querschnitt
Gleba: Sporenmasse und Sporen
Wie aus Abbildung 2 zu sehen ist, besteht der überwiegende Teil des reifen Fruchtkörpers aus einem dunklen Glebagewebe, das auch die Sporen enthält. Die Sporenmasse besteht u. a. aus ascogene Hyphen, die mit fortschreitender Entwicklung zu spinnwebartigen Fäden werden (Abbildung 3).
Abb. 3: Einzelne Fäden der Sporenmasse lassen sich spinnwebartig auseinander ziehen
Die Sporen sind braun bis dunkelbraun und rundlich. Die Höhe und Muster des Ornaments ist sichtbar.
Abb. 4: Sporen von Elaphomyces granulatus
Sporenverbreitung
- Die Verbreitung der Sporen kann auf drei Wegen erfolgen:
- Die Peridie zerfällt durch Verrottung von selbst und die Sporenmasse gelangt dadurch in die Bodenumgebung
- Die Peridie wird von Bodenlebewesen (z. B. Asseln etc.) angefressen und die Sporen gelangen so in die unmittelbare Bodenumgebung
Der Fruchtkörper wird von Kleinsäugern oder Wildschweinen (gelegentlich auch von Rothirsch und Reh) gefressen und passieren den Magen und Darmtrakt unbeschädigt. Über den Kot werden sie an entfernten Stellen wieder auf der Bodenoberfläche abgesetzt und gelangen durch Niederschläge und durch Abbauprozesse der Streu in darunter liegende Bodenschichten. Die Verbreitung der Sporen durch Tiere wird als Mykophagie bezeichnet.
Suche & Fundorte & Tiefenverteilung im Boden
Wie und wo finde ich eine Trüffel? Wer eine Warzige Hirschtrüffel finden möchte, sucht dazu am besten an einer Wühlstelle von Wildschweinen. Das klassische Habitat sind Fichtenwälder ohne dichte Bodenvegetation. Die Wildschweine übersehen bei ihrer Wühlaktivität oft die eine oder andere Trüffel. Gummihandschuhe sind bei der Suche hilfreich.
E. granulatus findet sich im ungestörten Lebensraum in einer Bodentiefe von 2 cm bis 24 cm. Die überwiegende Anzahl der Fruchtkörper wächst aber in etwa 4 cm – 14 cm. Die Wuchstiefe ist abhängig vom Bodentyp und damit auch von dem Standort. Da die Trüffel eine Mykorrhiza mit Fichte oder Kiefer als Wirtsbaum eingehen, sind sie auf deren Feinwurzeln angewiesen. Die Feinwurzeldichte ist häufig oberhalb des Mineralbodenhorizonts in der unteren Humusauflage besonders hoch. Hier finden sich erfahrungsgemäß die meisten Fruchtkörper.
Fruchtkörper, die im oberen Auflagehorizont wachsen, haben oft eine beige-gelbe bis hellbraune Farbe (Abbildung 5). Dagegen sind Fruchtkörper, die im unteren Teil von mächtigen Humusauflagen (> 6 cm) gefunden werden oft dunkelbraun. Dies ist vermutlich durch Huminsäuren bedingt .
Parasiten
Auf E. granulatus paratisieren verschiedene Pilzarten der Gattung Cordyceps wie Cordyceps ophioglossoides und Cordyceps capitata.
Karte zum Vorkommen von Elaphomyces granulatus
Die Warzige Hirschtrüffel kommt in ganz Deutschland vor, wobei im nordöstlichen Teil die Verbreitung nur gering zu sein scheint. Für Europa wurde in diesem Forschungsprojekt eine Karte der Verbreitung von Elaphomyces granulatus erzeugt. Dabei wurde mit inverser abstandsgewichteter Interpolation auf DNA-Sequenzen von Level II-Kiefernstandorten und georeferenzierten GenBank-Zugängen gearbeitet, was zeigt, dass eine Kartierung dominanter Ektomykorrhizapilze in großem Maßstab möglich ist.
Standortansprüche
Der folgende Text stammt aus dem Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben “Bundesweiter Überblick über die Radiocäsiumkontamination von Wildschweinen“:
“Die Feinwarzige Hirschtrüffel ist hauptsächlich nordhemisphärisch verbreitet und ist in Europa, Nordamerika, Westasien und Japan nachgewiesen (Pegler et al. 1993), weiterhin gibt es Nachweise von den „East Indies“ (Anonymous 1855), dem heutigen Indonesien und Malaysia. Es wird vermutet, dass E. granulatus im gesamten Areal der Fagaceae und Pinaceae nachweisbar ist (Trappe 1972). Die Art ist in Deutschland einer der häufigsten hypogäischen Pilze (Hensel pers. comm, Stielow pers. comm.). Auch in den Niederlanden (De Vries 1971), Großbritannien (Hawker 1954, Pegler et al. 1993) und Norwegen (Eckblad 1961) sowie in Polen, Russland und im Baltikum (Bucholtz 1901) ist die Art sehr häufig verbreitet, in den USA gilt sie als der häufigste unterirdisch wachsende Pilz (Luoma et al. 1991). In Ungarn (Szemere 1965) und Dänemark (Lange 1956) gilt die Art als nicht sehr häufig. E. asperulus gilt lediglich in Dänemark und Norwegen als häufig vorkommend (Lange 1956, Eckblad 1961).
Symbiosepartner sind überwiegend Fichte und Kiefer
E. granulatus wird in Europa vorrangig unter Koniferen (Bommer & Rosseau 1884, Bucholtz 1901, Jahn 1949, Szemere 1965, Hansen & Knudsen 2000, Hensel pers. comm., Stielow pers. comm.) gefunden, besonders unter Pinus sylvestris (Reess & Fisch 1887, Hesse 1894, Fischer 1897, Klugkist 1905, Migula 1913, Jahn 1949, Hawker 1954, Eckblad 1961, De Vries 1971, Benkert 1975, Calonge et al. 1977, Kreisel 1996, Schurig 2002, Schultheis & Tholl 2003) und Picea abies (Fischer 1897, Klugkist 1905, Migula 1913, Eckblad 1961, De Vries 1971, Agerer et al. 2002, Kraigher et al. 2007, Hensel pers. comm., Stielow pers. comm.). Gerade in den Fichtenwäldern der Mittelgebirge kann E. granulatus ein Massenpilz sein (Stielow pers. comm., Hensel pers. comm., eigene Beobachtungen).
Auch unter Buchen und Eichen
Seltener sind Funde unter sommergrünen Quercus-Arten (Hesse 1894, Fischer 1897, Migula 1913, Hawker 1954, Eckblad 1961, De Vries 1971, Benkert 1975, Schultheis & Tholl 2003, Hensel pers. comm.), Fagus sylvatica (Fischer 1897, Migula 1913, Hawker 1954, Lange 1956, Hensel pers. comm.) und Castanea sativa (Migula 1913, Hawker 1954, De Vries 1971). Die Varietät E. granulatus var. hassiacus wurde unter Abies alba gefunden (Migula 1913). Nur aus Norwegen werden Juniperus communis, Fraxinus excelsior und Alnus-Arten angegeben (Eckblad 1961). Auch in den USA ist der Pilz hauptsächlich in Nadelwäldern zu finden. Nachgewiesen sind dabei (inkl. E. asperulus) Vorkommen unter Abies amabilis, Abies procera, Picea engelmannii, Picea sitchensis, Pinus banksiana, Pinus contorta, Pinus monticola, Pinus ponderosa, Pinus radiata, Pseudotsuga menziesii, Thuja plicata, Tsuga canadensis, Tsuga diversifolia, Tsuga heterophylla und Tsuga mertensiana (Luoma et al. 1991, Maia et al. 1996, North et al. 1997, North & Greenberg 1998, Gomez et al. 2003, Gomez et al. 2005). Da einige dieser Baumarten in Deutschland kultiviert werden, sind auch hier Vorkommen von E. granulatus möglich. In Dänemark ist die Art nur unter Fagus sylvatica nachgewiesen.
E. granulatus auf sauren Böden
Allerdings gibt es Nachweise von E. asperulus unter Koniferen (Lange 1956).
E. granulatus ist tendenziell eher eine acidophile Art, die meist auf leichten Silikatböden (oft Sand) vorkommt (Hesse 1894, Hawker 1954, De Vries 1971, Kreisel 1996, Hensel pers. comm.). Es gibt aber auch Funde von neutral bis leicht basisch verwitterndem Diabas-Untergrund (Hensel pers. comm.). Hesse (1894) gibt auch Funde auf schweren Kalkböden an. Eckblad (1961) erwähnt hingegen für Norwegen eine größere Häufigkeit auf Kalkböden als auf Silikatböden. Die Art ist in Europa eher (nord)westlich verbreitet. Nach Eckblad (1961) bevorzugt E. granulatus ein leicht ozeanisches Klima, wofür auch die häufigen Funde in den Mittelgebirgs-Fichtenwäldern sprechen.”
Mykorrhiza
Die Mykorrhiza von E. granulatus zählt laut Agerer (1987-2002) zum „Short distance“-Exploration Type. Das Mykorrhiza System ist unregelmäßig monopodial-gefiedert bis unregelmäßig monopodial-pyramidal. Die Enden sind fast gerade, grau bis gräulich-braun, während die Endspitzen hyalin oder hellorange-braun sind.
Ältere Myzelteile sind braun bis graubraun. Die Abschnitte der mittleren Mantelschichten zeigen Hyphen, die wie Hirschgeweihe aussehen.
Literatur
Agerer, R., 1987-2002: Colour atlas of ectomycorrhizae. Einhorn Verlag, Schwabisch Gmünd. – References – Scientific Research Publishing
Gronbach, E., 1988: Charakterisierung und Identifizierung von Ektomykorrhizen in einem Fichtenbestand mit Untersuchungen zur Merkmalsvariabilität in sauer beregneten Flächen. Bibl Mycol 125: 1-217.
Gronbach, E., 1989: Piceirhiza glutinosa. In Agerer R (ed) Colour Atlas of Ectomycorrhizae, plate 31, Einhorn-Verlag, Schwäbisch Gmünd.
Fielitz, U., Richter K., 2013: Bundesweiter Überblick über die Radiocäsiumkontamination von Wildschweinen : Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben 3607S04561 / online verfügbar: https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2013102411098/3/BfS_2013_3607S04561.pdf
Haug I, Pritsch K (1992) Ectomycorrhizal types of spruce (Picea abies (L.) Karst.) in the Black Forest. Kernforschungszentrum Karlsruhe.
Hawker, L. E., Fraymouth, J., De La Torre, M. (1967). The identity of Elaphomyces granulatus, Trans. Br. Mycol. Soc. 50 (1), 126-136. https://doi.org/10.1016/S0007-1536(67)80069-X
Deer Truffle und Parasiten: https://www.first-nature.com/fungi/cordyceps-capitata.php
Mains E. B., 1957: Species Of Cordyceps Parasitic On Elaphomyces. Bulletin of the Torrey Botanical Club
Vol. 84, No. 4 (Jul. – Aug., 1957), pp. 243-251 Spe : http://cordyceps.us/files/mains_1957_.pdf
Paz, A., et al., 2017: The genus Elaphomyces (Ascomycota, Eurotiales): a ribosomal DNA-based phylogeny and revised systematics of European ‘deer truffles’. Persoonia – Molecular Phylogeny and Evolution of Fungi. 38: 197–239. Link
Schickmann S., Kräutler K., Kohl G., Nopp-Mayr U., Krisai-Greilhuber I. Hackländer K., Urban A. 2011: Comparison of Extraction Methods Applicable to Fungal Spores in Faecal Samples from Small. Mammals. Sydowia 63: 237–247
Urban, A., Kataržytė, M., Schickman, S., Kräutler, K., Pla, T., 2012: Is small mammal mycophagy relevant for truffle cultivation? Acta Mycologica; Warsaw Bd. 47, Ausg. 2, : 139-143. Link
Stanikunaite R, Khan SI, Trappe JM, Ross SA., 2009: Cyclooxygenase-2 inhibitory and antioxidant compounds from the truffle Elaphomyces granulatus. Phytother Res.;23(4):575 578. Link