In ganz Europa steigt die Zahl der Wildschweine seit Jahrzehnten nahezu kontinuierlich an. Faktoren wie milde Winter, Wiederaufforstung, Intensivierung der Pflanzenproduktion, häufige Mastjahre, zusätzliche Fütterung und kompensatorische Reaktionen der Wildschweine auf den Jagddruck können einen Bestand explodieren lassen. Allerdings geht es auch schnell in die andere Richtung: ungünstige Wetterverhältnisse wie z. B. lange Winterfröste mit tief gefrorenem Boden, kalte nasse Frühjahre und ein geringes Nahrungsangebot lassen eine Wildschweinpopulation schnell erheblich schrumpfen. Wildschweinbestände reagieren sehr plastisch auf Änderungen ihrer Lebensbedingungen, was auch die teilweise großen Schwankungen in den Jagdstrecken belegen. Hier gibt es die Zahlen zur Jagdstrecke.
Die Zunahme der mittleren Umgebungstemperaturen in Deutschland erleichtert den Wildschweinen das Überleben und führt zur Zunahme der Bestände. Der Temperaturanstieg wirkt sich vielfältig positiv aus:
- höhere Temperaturen im Frühjahr lassen mehr Frischlinge überleben
- milde Winter ermöglichen eine adäquate Nahrungsversorgung (Jedrzejewska et al. 1997)
- höhere Temperaturen führen zu häufigeren Mastjahren
Wildschweine leben in einem natürlichen Jahreszyklus in dem die Paarungszeit im Spätherbst und die Geburt der Frischlinge, überwiegend im Frühjahr, wichtige Orientierungsmarken sind. Entsprechend ist die Population nach dem Winter normalerweise am geringsten und im Spätherbst am höchsten.
Da die Populationen weiterwachsen, werden mehr Konflikte zwischen Menschen und Wildschweinen erwartet, sofern sich dieser Trend nicht umkehrt. Neue interdisziplinäre Ansätze, auch Jagdstrategien, sind dringend erforderlich, um solche Konflikte abzumildern.
Fortpflanzung – Reproduktion: Wieviel Nachwuchs ist möglich?
Die Reproduktionsrate von Wildschweinen ist hoch. Unter günstigen Bedingungen kann sich eine Population ohne Bejagung innerhalb eines Jahres verdreifachen. Abhängig vom Alter der Mutter, ist pro Wurf mit 2 – 8 Frischlinge zu rechnen. Erwachsene Wildschweine können jährlich bei optimalen Bedingungen sogar 2 Würfe großziehen. Selbst Frischlinge können schon Mütter werden.
Nach Angaben des Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) ist von den in Tabelle 1 angegeben Vermehrungsraten auszugehen (Quelle: http://lwf.bayern.de/biodiversitaet/wildtiermonitoring_jagd/102909/index.php)
Tab. 1: Potentielle Reproduktion von Wildschweinen: Soviel Nachwuchs ist möglich
Weibliche Wildschweine | |||
Alter bis 1 Jahr | Alter 1 – 2 Jahre | älter als 2 Jahre | |
Anzahl Frischlinge günstige Bedingungen | 3 | 6 | 8 |
Anzahl Frischlinge ungünstige Bedingungen | 1 | 4 | 6 |
r-Strategen mit dynamischer Bestandsentwicklung
Als r-Strategen haben Wildschweine bei günstigen Lebensumständen ein hohes Reproduktionspotential. Kennzeichnend für eine wachsende Population ist ein hoher Bestand an Jungtieren. Grafisch kann ein solcher Bestand durch eine Pyramide mit einer breiten Basis dargestellt werden. An der Spitze der Pyramide stehen einige wenige alte Keiler und Bachen. In der Musterpopulation bilden die Frischlinge die breite Basis (Abbildung 1).
Das Problem bei den Überlegungen: Niemand kennt den tatsächlichen Bestand einer Wildschweinpopulation. Alle Zahlen zu Beständen stammten aus den Jagdstatistiken. Es handelt sich immer um Abschusszahlen, die den Bestand nicht 1:1 abbilden. Nach Pohlmeyer und Sodeikat (2004) gilt: „Der Frühjahrsbestand ist zurzeit aufgrund fehlender Methoden gar nicht oder nur sehr schwer einschätzbar, das heißt, Zählungen beinhalten stets eine hohe Fehlerquote. Damit erfolgt zwangsläufig eine Fehleinschätzung der Bestandsgröße”.
Abb. 1: Grundbestand: Musterbestand einer Wildschweinpopulation im Frühjahr
Die Modell-Population soll sich im Frühjahr wie in Tabelle 2 zusammensetzen.
Tab. 2: Frühjahrsbestand (Grundbestand) einer Wildschweinpopulation
Keiler | 6 |
Bachen | 8 |
Überläufer | 32 |
Frischlinge | 54 |
ggg
Modellierung einer Wildschweinpopulation
Wildschweinbestände reagieren dynamisch auf Umwelteinflüsse. Für die Populationsentwicklung sind vor allem diese Parameter von Bedeutung:
Reproduktionsrate in Abhängigkeit vom Alter
Reproduktionsrate in Abhängigkeit von Umweltbedingungen (besonders Nahrung, Wetter)
Jagddruck
Parasiten bzw. Infektionen/Erkrankungen
ungünstige Umweltbedingungen: schlechte Verfügbarkeit von Nahrung, ungünstige klimatische Bedingungen, sehr hohe oder sehr niedrige Temperaturen, Dauerfrost, der das Aufbrechen des Bodens über längere Zeit nicht zulässt. Für Frischlinge: feuchtes, kaltes Frühjahr
günstige Umweltbedingungen: hohe Nahrungsverfügbarkeit insbesondere Frucht-Mast (Eicheln, Bucheckern, Maronen) in Mast Jahren
Parameter für Modellierungen
- Reproduktionsrate
- Mortalitätsrate
- jagdlicher Abschuss
- Geschlechterverhältnis
Hypothetische Bestandentwicklung unter günstigen Bedingungen und ohne jagdlichen Eingriff
Für die Modell-Population in Tabelle 2 ist die Bestandsentwicklung ohne Bejagung und unter günstigen Lebensbedingungen im ersten Jahr berechnet. Es resultiert der in Tabelle 3 angegebene Nachwuchs.
Tab. 3: Frühjahrsbestand einer Wildschweinpopulation mit hypothetischem Nachwuchs unter günstigen Bedingungen, ohne Jagd
Grundbestand | Nachwuchs | |
Keiler | 6 | |
Bachen | 8 | 96 |
Überläufer | 32 | 96 |
Frischlinge | 54 | 41 |
100 | 233 |
Der Nachwuchs wurde mit diesen Annahmen berechnet:
Bachen: 8 Frischlinge, 50% der Tiere haben einen zweiten Wurf mit 8 Frischlingen
Überläuferbachen: 6 Frischlinge
Frischlinge: Geschlechterverhältnis 1:1, 50% haben einen Wurf mit 3 Frischlingen
Das Ergebnis ist beeindruckend. Unter günstigen Bedinungen wächst die Wildschweinpopulation auf 333 Tiere, davon sind 70% (233) Frischlinge. In der Grafik 2 ist die theoretische Bestandsentwicklung unter gleichen Annahmen für die Folgejahre dargestellt.
Abb. 2: Theoretische Bestandsentwicklung einer Wildschweinpopulation unter günstigen Bedingungen und ohne Bejagung
Die Darstellung ist rein hypothetisch und soll nur das potenziell starke Wachstum von Wildschweinbeständen durch die hohe Reproduktionsrate verdeutlichen. Im vorliegenden Beispiel würde die Ausgangspopulation von 100 Tiere auf 7.956 Tiere im 5. Jahr anwachsen. Tatsächlich verläuft die Populationsentwicklung langsamer: ungünstige Umweltbedingungen und die Jagd führen zu einem geringeren Wildschweinbestand als in Abbildung 2 dargestellt.
Bestandentwicklung unter günstigen Bedingungen, mit Jagd und Mortalitätsfaktor
In dieser Prognoserechnung soll
Positive Einflussfaktoren für die Bestandsentwicklung
Hier noch einmal die die wichtigsten Einflussfaktoren, die sehr wahrscheinlich die rasante
Literatur
bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/stickstoffbericht_2017_bf.pdf.
Jedrzejewska, B., Jedrzejewski, W., Bunevich, A.N., Milkowski, L. & Krasinski, A. 1997: Factors shaping population densities and increased rates of ungulates in Bialowieza Primeval Forest (Poland and Belarus) in the 19th and 20th centuries. Acta Theriologica, 42, 399–451.
Wild boar (Sus scrofa) Populations in Europe – A scientific review of population trends and implications for management
Wild boar population dynamics and management in Hungary
Simulating Potential Population Growth of Wild Pig, Sus scrofa, in Texas