Bioturbation – Auswirkungen von Wildschwein Wühlstellen auf Wiesen und Waldboden

Wühlstelle von einem Wildschwein
Abb. 1: Kleine Wühlstelle – Wildschwein bei der Nahrungssuche im Winter

Die großen Wiederkäuer Reh und Rothirsch nehmen ihre Nahrung fast ausnahmslos oberhalb des Bodens aufnehmen. Das Wildschwein hat eine andere Strategie entwickelt: abgesehen von der Nahrungsaufnahme auf Feldern stammt der überwiegende Teil der Nahrungsbestandteile aus dem Boden (Ausnahme: Mastjahre). Die Wühlstellen im Wald zeigen, wo die Tiere danach gesucht haben. Auf der Suche nach Mäusen, Regenwürmern, Insekten und deren Larven, Rhizome und nährstoffreiche Wurzeln sowie Hirschtrüffeln werden Wiesen und Areale im Wald durchpflügt. Dabei wird im Wald die Humusauflage durchmischt, oft sind sogar obere Bodenschichten des Mineralbodens mit einbezogen. Dieser Vorgang wird als Bioturbation bezeichnet. Auch der Regenwurm wirkt als unterirdischer Ökosystemingenieur.

Folgen der Wühl-Aktivität auf Böden, Pflanzen und andere Organismen

Der Einfluss des Wühlens von Wildschweinen auf die Vegetation, den Boden und die Tierwelt ist komplex und wenig erforscht. Obwohl mehrere Studien im Ausland die Auswirkungen der Wühlaktivität auf einzelne Waldökosystemkompartimente untersucht haben, bleibt die Auswirkung von Wildschweinen auf die gesamten Prozesse des Waldökosystems unklar.

Offene Fragen sind: In wieweit werden Nährstoffmobilität, Verfügbarkeit und Mineralisierungsraten des Bodens sowie die Menge/Dynamik an Wurzeln und Mikroben beeinflusst. Wie ist die Auswirkung auf die CO2 Bilanz des Bodens. Wie wirkt die Bioturbation auf die Baumwurzeln, die Vegetation und die Naturverjüngung.

Schäden auf Wiesen und Grünflächen

Die Wühl-Aktivität der Wildschweine im Wald ist für Spaziergänger weniger ersichtlich als die auf Grünflächen. Schäden auf Wiesen und landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Wildschweine führen oft zu Schadenersatzforderungen. Zwei Formen des Schadens sind zu unterscheiden: Die Grasnarbe wurde zerstört oder Saatgut oder landwirtschaftliche Vegetation wurde gefressen oder verwüstet. Auf Wiesen bedeuten die gut sichtbaren Wühlstellen ebenfalls eine Bioturbation im Wurzelbereich der Gräser.
Die Entschädigungsfrage ist in Deutschland verwaltungstechnisch detailliert geregelt. Die rechtliche Grundlage liefert der § 29 Abs. 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG) zur Schadenspflicht. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags gibt in “Schadensersatzregelungen bei Wildschäden” einen Überblick zum Thema.

Wühlflächen im Wald

Hier haben Wildschweine den Waldboden bis zum Mineralboden großflächig umgewühlt
Wildschweine als Bioturbator: großflächige Wühlstellen auf rund 1.000 Quadratmetern Waldboden, teilweise bis 30 cm Bodentiefe

Über die Wühl-Aktivität von Wildschweinen im Wald gibt es nur sehr wenige Untersuchungen. Die Auswirkungen der Bioturbation auf den Waldboden sind nicht bekannt.

Grundsätzlich zeigen Wildschweine verschiedene Strategien beim Wühlen. Entsprechend kann die Bioturbation klassifiziert werden:

  • Wühlen nahe der Oberfläche: Es werden nur die obersten 2 – 5 cm der Bodenschicht durchwühlt.
  • Bioturbation des gesamten Auflagehumus, gelegentlich unter Einbezug einiger cm des Mineralbodens. Die durchwühlte Bodentiefe ist von der Mächtigkeit des Auflagehumus abhängig.
  • Tiefenwühlen bis 60 cm Bodentiefe. Oft handelt es sich um Bodenkrater von 1 – 2 Quadratmeter Ausdehnung. Ziel der Nahrungssuche sind vermutlich Mäuse oder generell Vorratslager von Nagern.

Die Wühl-Aktivität der Wildschweine ist saisonal unterschiedlich und hängt darüber hinaus vom Lebensraum ab. Wildschweine, die in geschlossenen Waldbeständen leben haben eine andere Auswirkung auf Waldböden als solche, die sich während der Vegetationszeit auch oder nur von landwirtschaftlichen Produkten ernähren.

Intensität: Größe der durchwühlten Bodenoberfläche

Systematische Untersuchungen über die von Wildschweinen durchwühlten Waldbodenflächen liegen nicht vor.

Oberflächliche Bioturbation
Abb. 2: Großflächige Bioturbation eines Waldbodens durch Wildschweine

 

Wühlfläche mit geringer Ausdehnung
Abb. 3: Die Wühl-Aktivität des Wildschweins erfolgte auf kleiner Bodenfläche. Hier auf einer Dauerprobenfläche

Vorliebe für Waldwege

Im Winter oder im Frühjahr fällt häufig durchwühlter Boden an Waldwegen auf. Die Abbildung 4 zeigt einen sehr stark durchwühlten Boden neben einem befahrbaren Forstweg.

Wildschweine haben Boden neben einem Forstweg intensiv durchwühlt

Abb. 4: Sus scrofa war hier. Auf Nahrungssuche wurde dieser Boden neben einem Forstweg bis in 40 cm Tiefe durchwühlt

Das Wildschwein als Ökosystemingenieur verursacht Bioturbation des Waldbodens.

Regeneration von durchwühlten Bodenkompartimenten

Aktuell gibt es keine Untersuchungen, wie sich von Wildschweinen durchwühlte Waldböden regenerieren. Die Abbildung 5 zeigt eine etwa 1 Jahr alte Wühlstelle in einem Fichtenwald. Die Humusauflage wurde von den Wildschweinen durchwühlt und weggeschoben. Erste Keimlinge von Fichten sind zu sehen.

Wie regenerieren sich durchwühlte Bodenkompatimente?
Abb. 5: Regeneration von Waldbodenflächen nach Bioturbation

Bioturbation durch Regenwürmer

Regenwürmer sind unterirdische Ökosystemingenieure schlechthin. Sie verändern die Bodenstruktur, die Wasserbewegung, die Nährstoffdynamik und das Pflanzenwachstum dramatisch. Sie sind nicht für alle gesunden Bodensysteme essentiell, aber ihre Anwesenheit ist normalerweise ein Indikator für ein gesundes System. Regenwürmer erfüllen mehrere nützliche Funktionen. Darunter das Durchmischen von Mineralboden, Humusbestandteilen und abgestorbenem Pflanzenmaterial. Dieser Prozess wird als Regenwurm Bioturbation bezeichnet.

Regenwürmer verbrauchen organische Stoffe und Mineralpartikel und scheiden Abfälle in Form von Abgüssen aus, einer Art Bodenaggregat. Charles Darwin berechnete, dass Regenwürmer große Mengen Boden von den unteren Schichten an die Oberfläche befördern und auch organische Stoffe in tiefere Bodenschichten befördern können. Ein großer Teil des Bodens fließt durch den Darm von Regenwürmern. Durch die Bioturbation können die obersten 15 cm des Bodens innerhalb von zehn bis zwanzig Jahren vollständig durchmischt werden.

Literatur

Don, A., Hagen, C., Grüneberg, E., and Vos, C. 2019: Simulated wild boar bioturbation increases the stability of forest soil carbon, Biogeosciences, 16, 4145–4155. Paper hier.

Escosteguybn P., D., Fernández A., E., 2017: The Effects of Bioturbation by Earthworms. Preliminary Results of an Actualistic Taphonomy Experiment. Journal of Taphonomy 15 (1-3) (2017), 11-27. Abstract

Leveque, T., Capowiez, Y., Schreck, E., Xiong, T., Foucault, Y., & Dumat, C., 2014. Earthworm bioturbation influences the phytoavailability of metals released by particles in cultivated soils. Environmental Pollution, 191, 199–206. PDF

Lombardini, M. et al. 2016. Factors influencing wild boar damage to agricultural crops in Sardinia (Italy). – Curr. Zool. 63: 507–517.

Wirthner, S. 2011: The role of wild boar (Sus scrofa L.) rooting in forest ecosystems in Switzerland, PhD, Department of
Environmental Systems Science, ETH Zurich, Zürich. Download-Link